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10. Dezember 2015 | 12:11 Uhr

Aus der Serie Unternehmergeist „Schriftstellerin Christin Burger“

Rotwein, Einsamkeit und Dachgeschoss?

Als ich im Jahr 2000 im Alter von 25 Jahren in Berlin beschlossen hatte, Schriftstellerin zu werden, hatte ich eine genaue Vorstellung von meinem Leben: Ich würde einsam in dem Dachgeschoss eines alten Hauses an meinem Schreibtisch sitzen, Rotwein trinken und ein Buch nach dem anderen schreiben. Natürlich reihenweise Beststeller, denn die Welt hatte nur auf meine tiefgründige Literatur gewartet.
Ein großes Missverständnis, wie sich schnell herausstellen sollte.

Christin Burger FotoIch musste erkennen, dass eine gute Idee nicht gleich einen ganzen Roman ausmacht und suchte mir einen Job als Kellnerin.
Dank der Kontakte einer Freundin gelang es mir, ein Praktikum in Köln bei einer täglichen Serie zu ergattern. Offensichtlich hatte ich ein großes Talent für Liebe und Intrigen und kam in den Genuss, mit vielen Autoren gemeinsam an Geschichten zu feilen. Jetzt erst lernte ich die Grundsätze der Dramaturgie und begriff, wie man Spannung aufbaut und Geschichten zu einem runden Abschluss bringt. Und ich begriff, dass eine gute Geschichte oft das Resultat von Gemeinschaftsarbeit ist. Bald hatte ich einen festen Platz im Autorenteam der Firma Grundy Ufa (mittlerweile Ufa Serial Drama) und schreibe nun seit über zehn Jahren für verschiedene Fernsehserien wie zum Beispiel „Verbotene Liebe“, „Unter uns“, „Wege zum Glück“ und „Alles was zählt“.

Die damit verbundene existentielle Grundlage ermöglichte mir endlich, an einer Romanidee zu arbeiten. Im Jahr 2009 begann meine Arbeit an dem ersten Band einer Jugend-Fantasy-Trilogie. Ich schrieb eine erste Version. Ein großer Autor hat einmal gesagt, dass die erste Version eines Romans immer im Müll landet. Meine nicht – davon war ich überzeugt. Bis ich sie mir ein paar Wochen später noch einmal durchlas und tausend Ideen hatte, wie mein Werk noch schöner werden könnte. Diese zweite Version gab ich dann vertrauensvoll meinen Kolleginnen in die Hände, die sie mit ihren wunderbaren Ideen anreicherten und so zu einer dritten Version ausschmückten.

41-w5PNlqCLEine Agentin war begeistert von dieser dritten Version – und lektorierte sie fröhlich zu einer vierten. Also ging ich noch einmal an das Manuskript ran und schrieb ganze Kapitel um. Nach jeder Überarbeitung, so musste ich mir eingestehen, wurde das Buch noch besser. Meine Agentin machte mir Hoffnung, einen Verlag zu finden und ging auf die Suche. Währenddessen hatte ich Zeit, mir Gedanken über Teil 2 zu machen.

Leider fand sich kein Verlag, der mein Projekt umsetzen wollte. Da keine Elfen oder Vampire in der Geschichte vorkommen, passte sie weder zum aktuellen Trend noch in irgendeine Schublade – was genau der Punkt war, der meiner Agentin und mir gefiel.

Als sie den Vorschlag machte, das Buch als selfpublisherin zu veröffentlichen, ließ ich es dann doch erst mal in meiner Schublade liegen. Mein Buch selbst vermarkten? Ohne Verlag? Das erschien mir ein Ding der Unmöglichkeit. Ein Berg von Fragen türmte sich vor mir auf. Wie stellt man sowas an? Wird man da als Autorin ernst genommen? Und überhaupt – wo blieben die Jubelrufe über mein Werk? Das Thema Rotwein hatte sich auch schon lange erledigt, da ich unter Alkoholeinfluss nichts Brauchbares aufs Papier bringe. Meine romantischen Vorstellungen von dem Leben einer Schriftstellerin waren dahin – und wurden mit der Realität konfrontiert, dass dieser Beruf harte Arbeit, Frustration und Selbstzweifel bedeuten konnte.

Aber da Teil 2 meiner Trilogie als erste Fassung stand, konnte ich Teil 1 nicht einfach in der Schublade verschimmeln lassen. Also machte ich mich auf zu einem selfpublisher-day bei der Leipziger Buchmesse. Einen ganzen Tag lang gab es Workshops und Vorträge von Autoren, Marketing-Fachleuten und Lektoren, die ihre Dienste anboten. Bestimmt hundert Artgenossen tummelten sich an etlichen Tischen. Es gab noch mehr wie mich! Was für eine Erleichterung!

51DVXXM0N1LNach einem Tag voller Input hatte ich eines begriffen: Es würde meinen ganzen Einsatz kosten, wenn ich das Projekt stemmen wollte. Aber die Begeisterung meiner Vorgänger, die leuchtenden Augen und die Aussagen, dass es am Ende viel mehr Spaß machte, wenn man alles selbst regelte und keine Rechte an einen Verlag abgeben musste, waren ansteckend.

Ich nahm Kontakt zu einer Lektorin auf und war mir sicher, dass sie an meinem Text nicht mehr viel zu beanstanden hatte. Wie falsch ich lag, wurde mir klar, als ihre Anmerkungen kamen. So viele Ideen und Anmerkungen zu meinem Stil, meiner Hauptfigur und der Geschichte! Beim Überarbeiten wurde mir klar, dass jeder dieser Schritte nötig gewesen war, um das Buch zu dem zu machen, was es heute ist.
Ich besorgte mir eine Illustratorin für das Cover, einen Webdesigner für meinen Auftritt im Internet, eine ISBN-Nummer für mein Buch, einen Eintrag in dem „Verzeichnis lieferbarer Bücher“, denn der Weg vom Druck zum Buchhandel ist eine Welt für sich. Ich hatte mit einem Mal zehn Jobs mehr, war völlig überfordert und gleichzeitig so glücklich wie noch nie.

Nun halte ich es in den Händen: mein eigenes Buch.

Sechs Jahre Arbeit. Ich kann mittlerweile nicht einmal mehr aufzählen, wie viele Überarbeitungen nötig und wie viele Menschen an der Entstehung beteiligt waren. Aber eines weiß ich mit Sicherheit: der Beruf des Schriftsteller ist alles andere als einsam. Und im Dachgeschoss lebe ich immer noch nicht.

Den Flyer zu meinem Buch finden Sie hier.

 

Kontaktdaten:

Christin Burger

www.christinburger.de
facebook.com/ChristinBurgerAutorin